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Sina Niedermaier
4. Apr. 2022

Customer Centric Pricing in der Hotellerie - Das Ende der Marktsegmente?

Consortia, Full Inclusive Tour, Wholesaler, Transient, Corporate, Package, Promotion - wer kennt sie nicht, die Marktsegmente in der Hotellerie? Aber sind diese noch zeitgemäß und sinnvoll? Denn was passiert bei Buchungen die nicht direkt über das Hotel getätigt werden? Kann das Hotel wirklich und tatsächlich genau wissen, welches Marktsegment für den anreisenden Gast das richtige ist? Oder was passiert, wenn der Gast aus verschiedenen Gründen kommt und zum Beispiel geschäftliches mit privatem mischt (“Bleisure”)?

Marktsegment werden eigentlich gebraucht, um Zielgruppen durch Marketingmaßnahmen direkter ansprechen zu können. Obwohl Kunden durch Marktsegmente in gewisser Weise eingegrenzt werden, bleiben Marktsegmente (richtig genutzt!) doch sehr technisch und ohne Emotionalität. Dazu kommt, dass Hotels bei sehr vielen, wenn nicht den meisten Buchungen nicht genau wissen können (dadurch dass die Buchung einfach kommentarlos im System ankommt) aus welchem Grund der Gast zu Besuch kommt. Doch gibt es eine bessere Möglichkeit?

Worum es geht - was ist Customer Centric Pricing?

Beginnen wir mit einer Definition:

“Kundenorientierte Preisgestaltung erfordert die gleichzeitige und kontinuierliche Bewertung von Produktattributen, Kundenwahrnehmungen und den Umständen von Zeit und Ort durch Beobachtung und Auswertung der Kundenaktionen.”

Tatsächlich zeigte eine Deloitte Studie, dass Unternehmen die kundenorientiert agieren um 60% profitabler sind als Unternehmen die nicht kundenorientiert arbeiten. Das ist eine gute Nachricht, denn sobald die Kunden in den Fokus des Handelns rücken, ist Profitabilität ein großes Stück näher.

Ein Großteil der Unternehmen denken kundenorientiert zu handeln, dennoch zeigt eine Recherche von Hubspot, dass 42 % der Unternehmen ihre Kunden weder befragen noch Feedback einfordern.

Es würde sich also betriebswirtschaftlich positiv niederschlagen, wenn Hotels kundenorientierter arbeiten würden. Hierzu müssten sie ihre Gäste noch besser kennen, um den Grund des Aufenthaltes zu erfahren. Doch wie kann man seine Zielgruppe genauer definieren als mit den altbekannten aber vielleicht nicht mehr ganz bewährten Marktsegmenten?

(Buyer) Personas - eine Weiterentwicklung der Marktsegmente

“Personas (lat. Maske) sind Nutzermodelle, die Personen einer Zielgruppe in ihren Merkmalen charakterisieren. “

Unter Persona versteht man dabei einen typischen Kunden, der ein (spezifisches) Kundensegment des jeweiligen Unternehmens repräsentiert. Je kleiner und homogener die gebildeten Kundensegmente sind, desto passender können diese anschließend angesprochen werden.

Wie Personas konzipiert werden können

“Bei Personas handelt es sich um erdachte Persönlichkeiten, die stellvertretend für eine bestimmte Zielgruppe stehen. Im Online Marketing helfen sie, den Nutzer einer Website oder den Kunden eines Online Shops besser zu verstehen.”

Diese Persönlichkeiten können z. B. einem Entwicklerteam aufgrund ihrer detaillierten Beschreibung helfen, sich in die Lage der potenziellen Nutzer zu versetzen und diese Perspektive während des gesamten Designprozesses bei zu behalten. Personas werden mit einem Namen, einem Gesicht, einer Funktion, einem Werdegang und einem Privatleben versehen. Sie verfügen über Ziele und bestimmte Verhaltensweisen, haben Vorlieben und Erwartungen.

Damit Personas ihre positive Wirkung entfalten können und das Marketing funktioniert, müssen sie möglichst detailreich entwickelt werden. Hierzu muss zunächst eine umfangreiche Definition der Zielgruppe(n) vorangehen, um empirische Daten zu erhalten.

Hier hilft die Digitalisierung und die Automatisierung. Daten sind hier essentiell. Denn ohne Hilfe von Systemen ist eine gründliche Definition von Personas nahezu unmöglich, da es gilt viele Daten auszuwerten. Das Thema Personalisierung dreht sich nämlich nicht darum den Gast mit seinem Namen anzusprechen, sondern ihm für ihn relevante Inhalte anbieten zu können.

Unter anderem folgende Daten sind wichtig um Personas zu erstellen:

  • Demographische Daten
  • Geolokalisierung
  • Familienstand
  • Bildungsstand
  • Beruf/Karrierestufe
  • Höhe des Einkommens
  • Analyse der Verkaufszyklen
  • Trends abbilden aus vorangegangenen Buchungen
  • Trends abbilden aus vergangenen Ausgaben im Hotel
  • Online Shopping Verhalten auf der Webseite
  • Hobbies, Interessen
  • In welcher Branche ist der Kunde tätig
  • Position im Unternehmen
  • Welche Ziele haben die Kunden
  • Welche Lösung ihres Problems sehen die Kunden im Produkt

Nach oben genannter Definition werden alle Details zu den Personas in Form eines Fließtextes niedergeschrieben. Jede Persona erhält einen realistischen Namen, ein Foto und wird mit demografischen Daten versehen. Zusätzlich wird festgehalten, welchen Hobbys sie nachgeht, was sie nicht mag und was sie bevorzugt. Dann kommt der wichtigste Teil der Erstellung der Personas: Für jede Zielgruppe muss festgehalten werden, welche Ziele diese mit dem Produkt verfolgt, welche Wünsche, Erwartungen und Bedürfnisse sie hat, die durch das Produkt erfüllt werden sollen. Diese genaue Definition von Personas ist eine Weiterentwicklung der klassischen Marktsegmentierung und bietet einen strukturierten Zugang zur Erstellung einer Persona.

Was lohnt sich? Produkt, Preis oder Kundenfokus?

Momentan stehen oft noch Produkt und Preis im Mittelpunkt - nicht der Kunde. Dabei ist zu beachten, dass die Preisgestaltung an sich genauso viel Strategie erfordert wie das Produkt. Das richtige Produkt zum falschen Preis ist nicht mehr das richtige Produkt.

Was denken die Kunden?

Fokus auf Preis

Ein Beispiel in dem der Preis im Mittelpunkt steht war die “Geiz ist Geil” Strategie von Mediamarkt. Bei einer preisorientierten Strategie ist aus Sicht des Kunden der Preis das Haupt-Kaufargument. Sämtliche Marketing-Maßnahmen betonen seine Bedeutung.

Fokus auf Produkt

Ein klares Beispiel für Strategien in denen das Produkt im Mittelpunkt steht ist das IPhone. Denn produktorientierte Unternehmen heben sich von den Mitbewerbern durch besondere Produkte ab. Das Produkt ist das Kaufargument.

Problematisch ist bei beiden oben genannten Ansätzen, dass sowohl Preise als auch Produkte nachahmbar bzw. austauschbar sind. Diese Probleme haben Unternehmen, die kundenorientiert agieren, kaum. Schafft man es, eine wirklich außergewöhnliche Konsumerfahrung zu generieren, so differenziert man sich aus Kundensicht ganz anders und deutlich tiefgreifender. Werden Kunden individuell angesprochen und ist der Service an Ihnen direkt ausgerichtet, ist das eine Erfahrung, die sich von der Konkurrenz abhebt und direkt auf den Unternehmenserfolg einzahlt.

Fokus auf Kunden

Beispiel Hilton

Hilton beispielsweise stellte 2018 auf ein kundenorientiertes Preismodell um. Die Best Available Rate wurde abgeschafft und dadurch mehr Auswahlmöglichkeit für den Gast geboten. Die Gäste die mehr bezahlen, konnten ihren Aufenthalt wesentlich flexibler gestalten. Aber auch preissensible Kunden wurden durch Einsparmöglichkeiten bei der Buchung angesprochen. Das Modell richtete sich an Gäste die nach späteren Abreisezeiten, flexibleren Stornierungsfristen und mehr suchten.

Beispiel Adidas

Adidas bietet einen Laufschuh aus dem 3D Drucker. Diese Schuhe befriedigen das Grundbedürfnis von Läufern: das Ende von Belastungsschmerzen. Die Daten hierfür bezog Adidas aus der App “Runtastic”. Dazu wurde passender Content erstellt, wie Rezepte, Trainingspläne, Laufwettbewerbe, etc. und die Diskussion in der “Community” über Qualität der 3D angepassten Schuhe anzuregen. Doch die individuell angepassten Schuhe lösen nicht nur ein Kundenproblem (und wer jemals einen Marathon mit Blase oder Knieproblemen gelaufen ist, weiß, wie groß dieses Problem sein kann). Die neuen Schuhe sorgen auch in der Community für Gesprächsstoff und eignen sich daher bestens als Impulsgeber. Engagement ist also garantiert – und zwar in der eigenen Community.

Es gibt zahlreiche weitere Beispiele für kundenorientiertes Handeln wie Individualisierungen im Online Shop, eigene Kinderbücher mit entsprechenden Kinderfotos, individuell konfigurierbare Pralinen, personalisierte Chucks, individuell bedruckbare Seife, Coca Cola oder Nutella mit Namen, usw.

Individualisierte Produkte stehen beim Thema Customer Centricity ganz hoch oben.

Wie genau also kann man dies in der Hotellerie umsetzen?

Zuerst muss durch Marktforschung und (wie oben beschrieben) Digitalisierung genau herausgefunden werden, was der Kunde wirklich will. Hier genügt es selbstverständlich nicht eine einmalige Anstrengung zu unternehmen, denn die Kundenwünsche und -anforderungen müssen regelmäßig neu bewertet werden. Denn treffen Annahmen, die zu einem Zeitpunkt getroffen wurden nach einem Monat, einem Jahr oder einem Jahrzehnt noch zu? Der Gast und nicht das Produkt und nicht der Preis müssen also am Anfang der Wertschöpfungskette stehen.

Hotels müssen eine Multichannel Strategie haben, das heißt der Gast muss das Unternehmen über alle Kanäle zu jeder Zeit erreichen können. Hier helfen Technologien (z.B. Chatbots) die “Customer Journey/Experience” positiv zu gestalten

Big Data hilft “Buyer Personas” zu erstellen und Bedürfnisse und Wünsche zu identifizieren, dafür benötigt es zwingend ein gewisses Maß an Digitalisierung, da sich eine manuelle Auswertung sehr komplex und sehr zeitintensiv gestalten würde.

Hotels sollten auf Customer Empowerment setzen: der Kunde ist Influencer! Hier ist es beispielsweise wichtig alle Daten aus den sozialen Medien zeitnah präsent zu haben, auswerten und reagieren zu können oder aber auch für eigenes Marketing nutzen zu können (“user generated content”). Dies kann nur geschehen, wenn der vom Hotel gelieferte Content relevant für den Kunden ist. Hier hilft auch Digitalisierung regelmäßig Auswertungen des Hoteleigenen Contents vor zu nehmen:

BEISPIEL SCREEN SHOT SOCIAL

Kundenbindungsprogramme spielen insbesondere eine wichtige Rolle, da eine Teilnahme an solchen weitere wichtige Daten über Gäste liefert, zusätzlich bieten diese perfekt auf den Kunden zugeschnittenen Produkte. Der Fokus in allen Bereichen muss also der Kundenbindung dienen, nicht dem Absatz und muss auch an allen sogenannten “Touch points” die der Gast vor, während und nach dem Aufenthalt im Hotel hat, gelebt werden.

Individualisierte Produkte spielen beim Thema Customer Centricity eine große Rolle. Dies beginnt bei individuellen Buchungsvorschlägen für den Gast, Hinweise auf Knappheit (“noch 3 Zimmer zu diesem Preis verfügbar”), Angebote für vergünstigte Zusatznächte oder für kostenlose Zusatzleistungen, Bestücken der Minibar mit vom Gast präferierten Getränken und Snacks, Anbieten von auf die Ernährungsgewohnheiten des Gastes abgestimmten Menus, etc. Idealerweise sollten Hotels über Systeme verfügen, die all diese Informationen über den Gast sammeln und logisch aufbereitet verwerten können.

Vorteile von Customer Centric Pricing?

Warum also sollte der Kunde im Fokus stehen? Wie Zahlen zeigen, haben die Unternehmen, die tatsächlich den Kunden in das Zentrum ihres Tuns stellen noch immer einen Wettbewerbsvorteil der im Endeffekt zu einem steigenden Absatz führt. Die Kundenorientierung hebt Unternehmen von der Konkurrenz ab, da diese schwer nachahmbar ist. Auch werden Kunden zu loyalen Unterstützern, wenn tatsächlich ihre Bedürfnisse im Fokus stehen. Dies vermindert die Investition in neue Akquise. Außerdem wird der Kunde einen tatsächlichen Mehrwert für sich erfahren und somit bereit sein, höhere Preise zu akzeptieren. Somit steigen die Kundenzufriedenheit und die Reputation (vor allem auch Online) was wiederum zu mehr Sichtbarkeit und mehr Absatz führen wird. Über allem steht eine klare Sichtweise auf die Daten und schnelle, unkomplizierte Auswertungen der Informationen über Kunden. Denn,

“Wer die Kunst der Datenauswertung beherrscht, hat schon gewonnen.”

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